Seestadtl (Ervìnice) - Die Geschichte
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Zdena Binterová(
Übersetzung: Gerhard Stübiger und Kollektiv VÚHU unter der Leitung von Ing. Eva Lahodná)Seestadtl lag 11,5 km nordöstlich von Komotau in einer Seehöhe von 252 m S. h. Sein Kataster maß 679 ha. Im Jahre 1960 kam der Ort zum Kreis Brüx, wobei der größere Teil der Ortschaft beginnend zum Ende der 50er Jahre, abgerissen wurde und nur ein Rest wurde Bestandteil der Gemeinde Kommern. Durch seine ganze Geschichte war Seestadtl mit dem Kreise Komotau verbunden und auch der Großteil der Einwohner übersiedelte in das Neubauviertel von Görkau, Neu-Seestadtl.
Seestadtl entstand durch den Zusammenschluss von zwei Siedlungen, die am Ufer des Kommerner Sees lagen. Dieser wurde von Balbín im 17. Jahrhundert als größter See im böhmischen Königreich bezeichnet. Eine der Siedlungen, die spätere Fischergasse hatte das Fischrecht im See, während die zweite Siedlung dieses Recht nicht besaß.
Die deutsche Bezeichnung Seestadtl - Städtchen am See- kommt erst im 16. Jahrhundert vor. Früher hieß er nur der See und aus der hiesigen Feste kam das Rittergeschlecht, derer vom See, lateinisch de Lacu. Im Jahre 1392 wird ein Herr vom See alias de Erwenicz verwendet. Die tschechische Bezeichnung wurde gleichzeitig mit der deutschen verwendet und lautete ursprünglich Evenice. Er ist auch in der ersten bekannten Nachricht von Seestadtl aus dem Jahre 1238 angeführt: „Albertus, filius Nachapluc de Ruenice“. Beide Bezeichnungen erfuhren im Laufe der Jahrhunderte viele Veränderungen.
Ervìnice, die zweite, vom See entfernter Siedlung, war wahrscheinlich eine Kolonisierungssache der Familie der Naèepluc. Hier stand ein romanisches Kirchlein und ein Sitz eines Landedelmannes. 1278 war dies schon eine Marktsiedlung und ums Jahr 1300 wurde eine kreisrunde Feste erbaut mit Wall und Palisadeneinfriedung. Die Feste stand im Raum des späteren Parkes.
Im Besitze Seestadtls wechselten sich die Herren von Isenburg (Eisenberg), wieder vom See, und dann Wilhelm Zajíc von Hasenburg. Im Verlauf des 14. Jahrhunderts kam es zur Teilung Seestadtls unter die Erben. Derzeit wurde am linken Bielaufer, etwa 150 m nordöstlich von der alten Feste, eine zweite, kleinere Wasserfestung erbaut. Zu Beginn des 15. Jahrhunderts wurde diese kleinere Feste zusammen mit einem kleineren Teil von Seestadtl Bestandteil der Herrschaft Rothenhaus. Die ältere Feste und der größere Teil von Seestadtl gehörten zur Herrschaft Eisenberg, wo um das Jahr 1400 Buško von Ervìnic angeführt wurde.
Nach weiteren Besitzern wurde Seestadtl wieder zur Herrschaft Rothenhaus angeschlossen und 1519 kam es zur Verbindung beider Teile von Seestadlt Beide Festen waren zu dieser Zeit schon verfallen, vielleicht deshalb, weil sie nicht mehr Adelssitze waren. Im Jahre 1516 wurde Seestadtl zur Stadt erhoben und 1568 wurde der Stadt durch Christoph von Karlowitz Wappen und Siegel verliehen.
Im Jahre 1571 kaufte Seestadtl von Christoph von Karlowitz, Bohuslav d.Ältere von Michalowitz und erbaute an der Stelle des späteren herrschaftlichen Hofes im nordöstlichen Teil des späteren Marktplatzes einen neuen Sitz, das Neue Haus. Nach Bohuslavs Tod kam es wiederum zur Teilung Seestadtls unter die 4 Söhne. Schließlich aber erwarb alles einer der Brüder - Bohuslav d.Jüngere. Nach der Niederschlagung des Ständeaufstandes, bei dem er sich stark engagierte, wurde er am Altstädter Ring hingerichtet und sein Eigentum wurde zum Großteil im Jahre 1622 an Wilhelm den Jüngeren von Lobkowitz verkauft. Ein Jahr später erwarb Lobkowitz auch Eisenberg und bildete so die Herrschaft Neundorf - Eisenberg, deren Bestandteil auch Seestadtl bis zum Jahre 1850 blieb.
Im Jahre 1654 lebten in Seestadtl 11 Bauern, von denen einer einen Ausschank betrieb, einer sein Land öde hatte, weiters waren hier 19 Häusler, unter ihnen 1 Schuster, 1 Schmied, einer hatte eine Mahlmühle mit 2 Wasserrädern und zwei Häuseln waren leer. Auch gab es hier 2 Gärtner, was die Bezeichnung für kleinere Bodenbesitzer war, die keine Zugtiere hatten. In der damals noch selbstständigen Fischergasse waren 1 Bauer und 19 Häusler, unter ihnen waren 7 Fischer, 1 Zimmermann, 1 Schneider und 3 Häuseln waren unbewohnt.
Unter den Lobkowitzern ging es den Seestadtlern wieder besser. Im Jahre 1672 bekamen sie die Stadtrechte zurück, die sie unter den Michalowitzern verloren hatten.
Eine Schule wurde 1591 in der Kirchgasse erwähnt. 1845 wurde ein neues Schulgebäude errichtet, aber auch dies langte bald nicht mehr zu und 1892-93 wurde eine neue Schule an Stelle des alten Rathauses erbaut. Das Rathaus übersiedelte in die im Jahre 1845 erbaute Schule. Interessant ist, dass nach 1756 eine Zeit lang zweisprachig - deutsch und tschechisch - unterrichtet wurde. Um die Einrichtung einer tschechischen Schule suchte die tschechische Minderheit im Jahre 1898 an. Es begannen harte Regresse tschechischer Eltern und weitere Ansuchen, bis 1909 doch eine tschechische Schule eröffnet wurde.
Solange sich der Bergbau in der Umgebung nicht ausbreitete, befasste sich die hiesige Bevölkerung mit Landwirtschaft. Ende des 19. Jahrhunderts waren auch schon sämtliche Handwerke in der Stadt vertreten. Es waren hier 74 Handwerker und 69 Geschäftsleute verzeichnet. Auch 10 Gastwirtschaften und 3 Mühlen gab es in der Stadt. Eine größere Firma hatte 1847 ein Orgelbauer, der hauptsächlich nach Deutschland, aber auch nach Amerika exportierte.
Ab der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts verbesserten sich die Lebensbedingungen in der Stadt ständig. 1868 wurde ein Postamt eröffnet, 1869 wurde die Wasserleitung gebaut. Ende des Jahrhunderts baute man die Kanalisation und an Stelle des ehemaligen Friedhofes wurde ein Park angelegt.
Seit Ende des 19. Jahrhunderts beeinflusste das Leben der Stadt der Braunkohlenbergbau. 1895 wurden der Robert-Schacht, 1892/93 der Elly-Schacht und 1913 der Hedwig-Schacht erschlossen. Weil die hiesigen Kohlen zu den besten zählten, traf die Weltwirtschaftskrise der 30er Jahre die Gegend hier nicht so hart, wie etwa die Gegend von Brüx, obwohl auch hier die Arbeitslosigkeit steil anwuchs.
Die Stadt hatte zu der Zeit schon drei Marktplätze. Der Hauptplatz, nach 1945 als Dr. E. Beneš-Platz bezeichnet, wurde nach 1948 nach „Marschall Stalin“ umbenannt. Fast in der Mitte stand die barocke Doppelsäule des Hl. Johann von Nepomuk mit einer Balustrade und vier Engeln aus dem Jahre 1730 und am unteren Platz stand die Barockstatue des Hl. Florian vom Jahre 1717. Vor dem Untergang des Ortes wurden beide Statuen nach Klein-Priesen im Kreis Brüx überführt. Inmitten der Häuserfront, die den Marktplatz umgab, stand das Rathaus und in seiner Nähe an der Straße nach Holtschitz die ehemalige deutsche Schule. Der Friedhof, der eingangs bei der St. Jakobskirche war, die ursprünglich romanisch, später im Barockstil umgebaut war, wurde gleich nahe der Stadt, in Richtung zum Robertschacht, später Jan Šverma-Schacht, angelegt.
Am zweiten kleineren Marktplatz stand das Barockstandbild es Hlg. Anton von Padua vom Ende des 18. Jahrhunderts, das aber leider nicht erhalten blieb. Nach dem Kriege wurde dieser Platz auf den Namen K. H. Borovský umbenannt.
Der dritte Platz, der Anna-Platz wurde nach dem Kriege in Adolf Dvoøák Platz umbenannt Er hatte eine dreieckige Form und an jeder Ecke mündete eine Straße in ihn ein.
Außer der Kirche gab es noch eine Kapelle vom Jahre 1768. Im Jahre 1714 legte Albert Felix von Lobkowitz nördlich des Ortes eine große Fasanerie an. In der Nähe wuchs anfangs des Jahrhunderts ein Bergarbeiterviertel, die Domovina, mit einer tschechischen Schule, einem Fußballplatz und einem Sokolheim heran.
Im Jahre 1926 wurde etwa 250 m vom Hedwig-Schacht ein Wärmekraftwerk in Betrieb genommen, das damals unter die größten und modernsten Anlagen dieser Art in der ÈSR gehörte.
Am 20. 10. und am 16. 12. 1944 machte Seestadtl Bombardierungen mit, bei denen 34 Häuser ganz zerstört wurden, 6 Häuser wurden stark und 243 leicht beschädigt. Für Seestadtl war der Krieg am 8. Mai 1945 zu Ende.
Im Jahre 1921 lebten in Seestadtl 1298 Tschechen und bis 1930 stieg ihre Anzahl auf 2276 an.
Zum Ende der 50er Jahre näherte sich aber der Kohlenabbau ständig mehr der Stadt- von der einen Seite war es der Großtagebau Ès. Armee und von der anderen Seite der Tagebau Jan Šverma - so dass der Ort schließlich der Bergbautätigkeit weichen musste und im Jahre 1988 ging der Rest Seestadtls durch Anschluss an die Gemeinde Kommern unter.
Eingegeben: 15.4.2005